User Centered Design bei der Entwicklung von interaktiven Bibliotheksangeboten
Haben Sie sich auch schon mal richtig über eine gescheiterte Suchanfrage in einem beliebigen Suchsystem geärgert oder haben die Information, die Sie auf einer Webseite gesucht und erwartet hätten, nicht auf Anhieb gefunden und sind anschließend einfach „ausgestiegen“? Ein klassisches Beispiel für ein „dead end“. Etwas, was einem bei vielen (vermeintlich schlecht gemachten) Webangeboten passieren kann und etwas, was Nutzerinnen und Nutzern von Bibliotheken und deren Angeboten wahrscheinlich recht häufig passiert.
Als Bibliotheksmitarbeiter haben Sie vielleicht Strategien gelernt und entwickelt, mit denen Sie ggf. dann doch zum Ziel kommen. Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer wollen aber nicht darüber nachdenken wie sie z.B. Medien suchen und bestellen – und in einer Sackgasse landen wollen sie schon gar nicht. Sie erwarten ein in sich logisches Bedienkonzept, welches Sie ohne Nachdenken anwenden können und das Sie schnell und ohne Hürden ans Ziel bringt.
Das ist leider bei vielen Bibliotheksangeboten nicht der Fall und auch unsere eigenen Angebote sind dahingehend noch nicht alle optimal und nutzerorientiert / nutzerzentriert umgesetzt. Interaktive Anwendungen, mit denen – neben uns als Anbieter – auch unsere Nutzerinnen und Nutzer zufrieden sind, können letztlich nur gemeinsam mit den Nutzerinnen und Nutzern entwickelt werden. Dies nehmen wir uns aktuell bei der Entwicklung eines neuen Bibliotheksportals sehr zu Herzen. Unsere Erfahrungen mit den von uns eingesetzten Methoden und Werkzeugen wollen wir auf diesem Wege mit anderen Portalentwicklern und -verantwortlichen teilen.
Worauf kommt es also bei diesem User Centered Design (UCD) an? Was verbirgt sich dahinter? Welche Methoden gibt es und wie können sie miteinander kombiniert werden? Auf diese Fragen gehen wir mit einer kleinen UCD-Blogserie ein und wollen Ihnen so zeigen, dass User Centered Design mit einem geringen Mitteleinsatz umgesetzt werden kann und sich für jede Bibliothek lohnt.
In diesem ersten Artikel, der passender Weise am World Usabilty Day 2014 erscheint, stellen wir zu Beginn erst einmal Sinn und Zweck des User-Centered-Design-Prozesses vor. Im nächsten Artikel stellen wir Ihnen exemplarisch eine Auswahl der Werkzeuge vor, die während eines UCD-Prozesses zum Einsatz kommen können. Die weiteren Artikel unserer UCD-Serie stellen dann einige Methoden genauer vor. Wir beleuchten deren Eignung im Bibliothekskontext und berichten Ihnen von unseren individuellen Erfahrungen beim Einsatz.
Los geht´s.
User Centered Design – Was ist das?
Klassischerweise unterteilt sich ein Softwareentwicklungsprozess in die Phasen:
- Analyse / Planung,
- Konzeption / Design und
- Umsetzung / Implementierung.
Zum User Centered Design wird der Entwicklungsprozess durch eine fortlaufende Rückkopplung der Arbeitsergebnisse mit den künftigen Nutzern. Es geht darum sich iterativ einer optimalen Lösung anzunähern und kontinuierlich zu prüfen, ob das erarbeitete Konzept den Anforderungen und Erwartungen der Nutzer entspricht oder Korrekturen erforderlich sind.
Analysephase
Während der Analysephase werden Informationen über die zukünftigen Nutzer, deren typischen Aufgaben, Bedürfnisse und Erwartungen gesammelt. Ziel ist es, die Anforderungen der Nutzer an die Anwendung zu ermitteln und zu verstehen, um sie anschließend in der Konzeptionsphase in konkrete Systemspezifikationen „übersetzen“ zu können. Aus den gesammelten Informationen lassen sich Anforderungen für die Anwendung ableiten. Dies sind:
- Inhaltsanforderungen (Welche Informationen sucht und braucht der Nutzer?) und
- Funktionsanforderungen (Was muss die Anwendung können?).
Zudem ermöglicht die Analysephase ein Hineinversetzen in die zukünftigen Nutzer und deren Nutzungssituationen.
Aber nicht allein die Nutzerwünsche und – ziele stehen in der Analysephase im Fokus. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, die Wünsche und Bedürfnissen der Nutzer und die strategischen Kommunikationsziele der Bibliothek in Einklang zu bringen und zwischen gegenläufigen Interessen zu vermitteln.
Konzeptionsphase
Auf der Basis der erhobenen Anforderungen entsteht in einem iterativen Optimierungsprozess eine Bedienoberfläche. Diese enthält die Informationsarchitektur und das Informationsdesign der Anwendung. Die Informationsarchitektur organisiert und strukturiert die angebotenen Informationen der Anwendung. Erkennen Nutzer auf einer Webseite nicht auf worum es geht oder welche Informationen sie wo erwarten können, ist die Informationsarchitektur fehlerhaft. Eine gut durchdachte Informationsarchitektur
- reduziert den Informationsumfang,
- strukturiert die dargebotenen Informationen,
- fasst Informationen zu Themenbereichen zusammen und
- nutzt ein aussagekräftiges Labeling, das den Nutzer intuitiv über die verschiedenen Navigationspunkte bis zur gesuchten Zielinformation leitet.
Das Interaktionsdesign umfasst alles was der Benutzer sieht, hört und fühlt, wenn er mit der Anwendung interagiert. Bei der Entwicklung einer Webseite beinhaltet das Interaktionsdesign die visuelle Gestaltung der Bedienoberfläche und der verwendeten Bedienelemente.
Die Informationsarchitektur und des Interaktionsdesigns werden zunächst in einem Grobkonzept skizziert und im späteren Verlauf durch immer weiter ausgearbeitete Prototypen in einem Feinkonzept visualisiert. Durch die Einbeziehung der Nutzer in allen Phasen lässt sich das Konzept kontinuierlich verfeinern und anhand der tatsächlichen Zielgruppe evaluieren. Der ausgearbeitete Prototyp dient dann als Grundlage für die technische Umsetzung also die Implementierung der Anwendung.
Umsetzung / Implementierung
Das benutzerzentrierte Vorgehen beim iterativen Entwicklungprozess berücksichtigt die Anforderungen der verschiedenen Benutzergruppen an das System, so dass Schwierigkeiten und Fehler vor der Implementierung identifiziert und rechtzeitig korrigiert werden können.
Es ist sinnvoll auch nach der Implementierung die Nutzer nicht aus dem Auge zu verlieren. Um einen Eindruck vom Nutzerverhalten zu bekommen, können Sie beispielsweise mit Webanalyse-Verfahren Interaktionsdaten erfassen. Auf diese Weise können Sie nicht nur mögliche Schwachstellen und Weiterentwicklungspotential Ihres Prudukts analyliseren sondern auch feststellen welche Inhalte und Features besonders interessant für Ihre Nutzer sind. Dazu mehr in den nächsten Wochen.
Ausblick
Im nächsten Artikel stellen wir Ihnen zunächst einen Werkzeugkasten voller Methoden vor und geben Ihnen einen Überblick darüber in welcher Projektphase Sie welche Methoden einsetzen können.
Hallo,
Sie schreiben:
„Die Herausforderung besteht vielmehr darin, die Wünsche und Bedürfnissen der Nutzer und die strategischen Kommunikationsziele der Bibliothek in Einklang zu bringen und zwischen gegenläufigen Interessen zu vermitteln.“
Was meinen Sie damit konkret? Haben Sie ein Beispiel dafür? Mich interessiert vor allem, wie beides miteinander in Einklang gebracht werden kann.
Hallo Herr Jensen,
gerne erläutere ich Ihnen dies kurz:
Ein Großteil unserer Nutzer besucht z. B. unsere Bibliothekshomepage bzw. unser Fachportal GetInfo, um zu recherchieren und Medien zu bestellen. Darüber hinaus interessieren ihn ggf. noch die Konditionen und Rahmenbedingungen, zu denen z. B. Ausleihe oder Dokumentlieferung möglich sind. Diesen Nutzern würden also ein riesiges Sucheingabefeld und eine Handvoll Informationsseiten völlig ausreichen. Auf der anderen Seite ist es für uns als Deutsche Zentrale Fachbibliothek für Technik und Naturwissenschaften essenziell, unsere vielfältigen Funktionen und Aufgaben angemessen nach außen darzustellen, um unserem öffentlichen und gesellschaftlichen Auftrag gerecht zu werden. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft und als Informationsinfrastruktur- und Forschungseinrichtung wollen wir sichtbar sein und darlegen, was wir tun. Kurz gesagt: Die oben erwähnten Nutzer interessiert vielleicht nur das Ergebnis ihrer Suche, während wir als Institution auch das Bedürfnis und die Pflicht haben, zu kommunizieren, welche Leistungen wir hinter den Kulissen erbringen, um den Nutzern das gewünschte Suchergebnis zu liefern.
Eine Patentlösung, wie die unterschiedlichen Interessen miteinander in Einklang gebracht werden können, gibt es sicherlich nicht. Es ist aber wichtig, sich von vornherein klar zu machen, für wen das Bibliotheksportal bereitgestellt wird/werden soll und daran dann möglichst konsequent festzuhalten (und genau hier liegt die erwähnte Herausforderung). Hierzu ist eine klare Definition der Zielgruppen nötig. Hat man diese, so sind z. B. Personas eine hilfreiche Methode, um in der Entwicklung des Angebots immer wieder abzugleichen, ob ein Nutzer aus der jeweiligen Zielgruppe tatsächlich ans Ziel kommt. Beim Umgang mit unterschiedlichen Zielgruppen ist ein möglicher Weg, in der Benutzerführung konsequent zwischen handlungsorientierten Angeboten und Selbstdarstellung zu trennen. Letztlich reduziert es sich aber immer wieder auf die Fragen: Wer ist die Hauptzielgruppe? Für wen ist das Angebot in erster Linie gemacht? Und das ist nicht immer leicht zu beantworten …
Viele Grüße
Irka Schneider
Vielen Dank für Ihre Erläuterung, Frau Schneider!
Das hört sich nach einer interessanten Herausforderung an, vor der Sie stehen. Für mich als Bibliotheksbenutzer ist die Sache klar und Sie haben es auch treffend beschrieben, gute Recherchemöglichkeiten und Informationen über die Bibliotheksbenutzung sind das Wichtigste, alles andere kann meinetwegen in pdf-Broschüren oder in eine getrennte Website ausgelagert werden. Ich bin jedenfalls gespannt auf das neue Portal, gibt es schon einen Starttermin dafür?
Hallo Herr Jensen,
wenn alles gut klappt, wollen wir Anfang 2016 mit unserem neuen Portal online gehen.
Viele Grüße
Irka Schneider
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und viel Erfolg!
Ihr Peter Jensen