Das „Open Science Training Handbook“ – sechs Jahre später

Im Februar 2018 kamen 14 Autor*innen für eine Woche an die TIB, um in einem moderierten Prozess – einem „Book Sprint“ – das Open Science Training Handbook zu schreiben.

Dieses 200-seitige Manuskript hat seitdem für eine erstaunliche Resonanz gesorgt. In diesem Blogbeitrag blicken wir kurz darauf zurück und gehen dann insbesondere darauf ein, warum die Methode Book Sprint hier zwar offensichtlich gepasst hat – aber auch ganz anders gesehen und genutzt werden kann.

Von der Idee zum Trainingshandbuch

Im Rahmen des Horizon-2020-Projekts FOSTER+ war die Idee für das Trainingshandbuch aufgekommen. Forschende, die zu diesem Zeitpunkt bereits Open-Science-Praktiken in ihrer Lehre vermittelten, waren eingeladen, sich um eine Beteiligung an diesem Projekt zu bewerben.

14 Autor*innen aus zehn Ländern

Das Thema lag damals in der Luft – was sich daran erkennen lässt, dass wir aus 39 Bewerbungen auswählen mussten. Wir luden dann letztlich 14 Autor*innen aus zehn Ländern ein. Weitere Details zum Vorbereitungsprozess, der Entwicklung und der Resonanz unmittelbar nach der Erstellung des Buches finden sich im offiziellen Forschungsbericht des Projekts.

Übersetzung in fünf Sprachen

Das Handbuch steht unter der Lizenz Creative Commons Zero und wurde bisher in fünf Sprachen übersetzt. Google Scholar zufolge ist das englischsprachige Original mehr als 100 mal zitiert worden – bemerkenswert für ein reine Trainings-Handreichung, ohne renommierte Verlagsmarke oder dergleichen. Vor allem jedoch ist das Buch in unzähligen Workshops verwendet worden und wird zum Beispiel im „Open Science Capacity Building Index“ der UNESCO empfohlen. In einem Artikel für das LSE Impact Blog hatten Helene Brinken und ich (als die Moderator*innen des Book Sprints) 2018 noch einmal zusammengefasst, wie und warum Book Sprints so gut funktionieren.

Lehrbücher zur Qualifizierung von Ärzt*innen für die Arbeit im Gesundheitsamt

Crisis Management - Textbook for Public Health ServicesEin weiteres unserer Book-Sprint-Projekte sei herausgegriffen, um das Spektrum möglicher Varianten dieses Formats zu beleuchten. Finanziert vom Bundesministerium für Gesundheit und in enger Kooperation mit der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen entwickelten wir 2019 in einer Reihe kurzer Sprint-Events mit jeweils nur wenigen eingeladenen Expert*innen eine Serie kleinerer Handbücher (ein Beispiel), die bis heute eingesetzt werden bei der Qualifizierung von Ärzt*innen für die Arbeit im Gesundheitsamt. Wie auch das Open Science Training Handbook wird der gesamte Inhalt der Bücher in strukturierter Form auf einem Git-Repository vorgehalten, in diesem Fall jedoch unter der Lizenz Creative Commons Attribution.

Aufgrund eines von uns entwickelten Workflows können die Bücher per Knopfdruck in ganz verschiedene Formate ausgegeben werden – unter anderem natürlich auch als gedruckte Werke über einschlägige Buchhandelsplattformen. Zusammen mit Ute Teichert, einer führenden Vertreterin des Öffentlichen Gesundheitswesens in Deutschland, hatte ich in einem Podcast über die Erfahrungen bei der Entwicklung dieser erfolgreichen Open Educational Resource (OER) diskutiert. Von fachlicher Seite war Peter Tinnemann der Kopf hinter diesem Projekt; an der Durchführung der Sprints war Anna Eckhardt wesentlich beteiligt, an der technischen Umsetzung Simon Worthington.

Kurz vor Fertigstellung: Das Handbuch IT in Bibliotheken

Ein wiederum anders gestalteter Anwendungsfall der Methode Book Sprint ist das Handbuch IT in Bibliotheken, das 2022 und 2023 über drei Sprint Events hinweg mit insgesamt mehr als 30 Beitragenden entwickelt wurde. Koordiniert wurde das Projekt von Anne Christensen, Frank Seeliger, Jakob Voß und mir. Da das Projekt noch sehr frisch ist bleibt die Resonanz hier natürlich noch abzuwarten – obwohl eine erste Rezension des öffentlich einsehbaren Zwischenstands bereits erschienen ist, ein Bericht des Entwicklungsprozesses aus einer Autor*nnenperspektive, sowie ein Artikel aus Sicht der Initiator*innen.

Aktueller Bezugspunkt: Teilnehmende der Bibliocon 2024 in Hamburg haben die Möglichkeit, am 5. Juni 2024 an einem Hands-on Lab der Macher*innen dieses Projekts teilzunehmen.

Ein aktuell laufendes Book-Sprint-Projekt: Co-Site

Als viertes Beispiel sei noch eines unserer aktuellen Auftragsprojekte erwähnt. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Sprints, die wir beginnend 2024 in Kooperation mit Claudia Frick (TH Köln) vom Projekt Co-Site, finanziert vom Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF), durchführen. Hier gehen wir über das Konzept Buch und Buchreihe hinaus – geplant ist ein Wissensnetzwerk, das sich in und mit Büchern nutzen lässt, aber auch jenseits davon.

Das passt sehr gut zum Thema von Co-Site, dem Wissenstransfer zwischen Forschung und Kommunen zur Mammutaufgabe der Bewältigung des Klimawandels vor Ort. Für Näheres ist es noch zu früh. Offen und live aus dem Produktionsprozess, wie bei unseren Projekten dieser Art üblich, berichten wir demnächst dann an dieser Stelle und via Mastodon. 😉

Wie geht es mit den Book Sprints weiter?

Wir wenden dieses Konzept, zusammen mit Single-Source-Publishing-Workflows und dergleichen, kontinuierlich weiter anwenden und weiterentwickeln – nicht zuletzt in unseren laufenden eigenen Drittmittelprojekten wie NFDI4Culture, siehe zum Beispiel hier. Doch darüber hinaus vermitteln wir unser Know How immer wieder auch anderen – wie zum Beispiel 2022 bei einem Video-Workshop des European Network of Open Education Librarians (ENOEL), in einem zwölfminütigen Videovortrag, 2023 für die SuUB Bremen, ebenfalls 2023 in einem ausführlichen Podcast-Interview mit Tim Wiegers, oder 2024 u.a. bei der BiblioCon, siehe weiter oben.

Ein vorläufiges Fazit zu unseren Book-Sprint-Projekten

In diesem Artikel haben wir von einigen Highlights unter unseren Book-Sprint-Projekten berichtet, beginnend beim Open Science Training Handbook 2018. Wichtig ist nach unserer Erfahrung: Offene Lizenzen, Freie und Open Source Software und agile Methoden wie die Book Sprint sind nur Werkzeuge, die sich zudem rasch weiterentwickeln. Aber egal, wie es im Einzelnen gemacht wird: Hand- und Lehrbücher, die gemeinschaftlich von ihren Beitragenden entwickelt werden, haben ein enormes Potenzial. Solche Buchprojekte sind Open Science und Open Educational Resources (OER) als gelebte Praxis im Lehren und Lernen. (Wie das genau zusammenhängt haben wir andernorts beschrieben.) Wir erleben hier gerade erst den Anfang einer ziemlich aufregenden Entwicklung.

Bibliothekar. 🤓
Leitung Open Science Lab der TIB.
Folgt mir unter https://openbiblio.social/@Lambo //
Librarian. 🤓
Head of Open Science Lab at TIB.
Follow me at https://openbiblio.social/@Lambo