Als Open Access ins Rollen kam: Allianz-Lizenzen im Wandel der Zeit

Überregionale Literaturversorgung für eRessourcen der Naturwissenschaften

2008 fiel der Startschuss für Allianz-Lizenzen im Pilotprojekt Nationallizenzen für laufende Zeitschriften durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als Förderinstitution. Die ersten drei Finanzierungsjahre für aktuelle Zeitschriftenpakete konnten von der TIB mit den Fachgesellschaften des American Institute of Physics (AIP), dem Institute of Physics (IOP) und der Royal Society of Chemistry (RSC) ausgehandelt werden. Sie deckten damit zwei der Kernfächer der TIB ab – Chemie und Physik. Mehr als 130 Hochschulen und überwiegend öffentlich geförderte Forschungseinrichtungen sowie deren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhielten Zugang zu aktueller, qualifizierter, fachspezifischer Literatur unter anteiliger Bezuschussung durch die DFG.

Überregionale Lizenzierung für eRessourcen der Technik und weiterer Fachgebiete

In den nachfolgenden Jahren des LIS Förderprogramms – Überregionale Lizenzierung [1] kamen weitere Fachgebiete hinzu: Ingenieurwissenschaften (SPIE Digital Library), Architektur (Detail inspiration) und Werkstoffwissenschaften (Scientific.Net) und Biochemie (Biochemical Society Journals). Neben Zeitschriften wurden E-Book-Pakete und Datenbanken angeboten.

Der Paketinhalt verkleinerte sich, E-only-basierte, rabattierte Preisgestaltungen rückten in den Fokus. Nutzungsrechte wurden im Hinblick auf dauerhafte Zugriffsrechte, Archivierungs- und Hostingrechte sowie Moving Walls ausgehandelt und erweitert. Die eigens konzipierte Musterlizenz diente als wichtiges Werkzeug für die Umsetzung in der Praxis.

Forderung nach mehr Open Access

Zusätzlich wurden Verlage und Fachgesellschaften mit der Forderung zum Open-Access-Zweitveröffentlichungsrecht, dem Green Open Access, konfrontiert. Autorinnen und Autoren sowie deren Institutionen sollten die Berechtigung erhalten, ihren Artikel als Post-Peer-Reviewed-Version oder Verlags-PDF in einem institutionellen oder disziplinspezifischen Repositorium zu veröffentlichen. In den ersten Jahren musste eine sechs- bis zwölfmonatige Sperrfrist (Embargo) eingehalten werden, später entfiel diese Frist ganz. 2016 begann durch eine Kooperation von Verbünden, Universitätsbibliotheken und einer Forschungsgemeinschaft der Aufbau von DeepGreen, der heutigen Datendrehscheibe für Open-Access-Repositorien. [2]

Wie erfolgte die Beantragung der Allianz-Lizenzen?

Zunächst galt es, mit dem Anbieter ein tragfähiges Angebot unter Berücksichtigung der Grundsätze für den Erwerb DFG-geförderter überregionaler Lizenzen auszuhandeln. Mittels einer Online-Umfrage unter allen berechtigten Forschungs- und Bildungseinrichtungen konnte der deutschlandweite Bedarf erhoben und eine Kostenkalkulation mit prognostizierter Teilnehmeranzahl erstellt werden. Diese bildete die Grundlage für die Förderhöhe. An einer moderaten Preisentwicklung, Cost-Per-Download, einer transparenten Preisstruktur und letztlich eines innovativen Lizenzmodells wurde der Antrag gemessen und von Fachgutachtern der DFG als förderfähig eingestuft.

Die Tätigkeiten, die in diesem Zusammenhang anfielen, waren vielfältig: von der Überwachung der Fördergelder und der anteiligen Rechnungsstellung (75 Prozent finanzielle Eigenbeteiligung der Bibliotheken) über die Bearbeitung von Zugriffsschwierigkeiten bis zur Erschließung in Katalogen der EZB, DBIS und ZDB sowie im Nationallizenzportal. Außerdem mussten Auswertungen in Form von DFG-Zwischen- und Endberichten formuliert werden.

Seit 2008 bewilligte die DFG der Technischen Informationsbibliothek 14 Allianz-Lizenzen bzw. Förderperioden verteilt auf acht Lizenzprodukte von insgesamt sieben Anbietern. [3]

Verzeichnis der Allianz-Lizenzen von 2008 bis 2023

Moving Wall / Hosting

Das LIS-Förderprogramm ermöglichte die Aushandlung von Hostingrechten für Vertragspartner und Lizenznehmer auf eigenen Servern oder den Servern Dritter. Die Sicherung von Metadaten und ihren Volltexten auf TIB-Servern und die Einbindung ins TIB-Portal kann am Beispiel von Detail inspiration exemplarisch eingesehen werden.

Insgesamt wurden an der TIB mittels Moving Wall und Lückenergänzungen sechs Nationallizenzen aufgebaut bzw. um aktuelle Jahrgänge erweitert.

Überführung in nationale Konsortien und Open-Access-Transformation

Aus nahezu allen Allianz-Lizenzen der TIB haben sich tragfähige nationale TIB-Konsortien gebildet, die von fachlicher Relevanz sind und einen rabattierten Bezug ermöglichen. Sie sind über den GASCO-Monitor recherchierbar.

Bei sechs Lizenzprodukten, die ehemals als Allianz-Lizenzen Förderung erhalten haben, konnte der Transformationsprozess [4] gemeinsam mit den Verlagen vorangetrieben werden, so dass heute mehrjährige Read-&-Publish-Verträge existieren.

Mit der Fachgesellschaft RSC wurde der Weg zur Open-Access-Transformation bereits als Allianz-Lizenz eingeschlagen, da mit dem Vertrag für die Jahre 2014 bis 2016 nicht nur Leserechte, sondern auch Voucher für kostenfreie Publikationen von Artikeln verbunden waren, also eine Frühform von Read & Publish – der erste Konsortialvertrag dieser Art in Deutschland. Es folgten weitere Verträge und Modelle mit RSC und für 2028 ist die Transformation der RSC-Zeitschriften in Gold Open Access Zeitschriften in Sicht.

Mit IOP erfolgte 2019 der erste transformative Vertragsabschluss für die IOP Journals. Zwei bzw. drei Jahre später wurden nationale OA-Transformationsangebote mit AIP, SPIE und Portland Press verhandelt. Der jüngste Read & Publish-Vertrag wurde mit Trans Tech Publications für die Datenbank Scientific.Net ab 2024 geschlossen.

Read-&-Publish-Verträge 2024

Auch andere zukunftsweisende Open Access Modelle wie Diamond Open Access finden an der TIB Anwendung und können dem TIB-News-Beitrag unter Mehr Open Access in TIB-geführten Konsortien und der Webseite Open Access in TIB-Konsortien entnommen werden.

Quellenangaben

[1] Heidler, R., & Holzer, A. (2021). Überregionale Lizenzierung: Bilanz eines DFG-Förderprogramms. O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB8(2), 1–24. https://doi.org/10.5282/o-bib/5707

[2] Boltze, J., Höllerl, A., Kuberek, M., Lohrum, S., Pampel, H., Putnings, M., Retter, R., Rusch, B., Schäffler, H., & Söllner, K. (2022). DeepGreen: Eine Infrastruktur für die Open-Access-Transformation. O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB9(1), 1–13. https://doi.org/10.5282/o-bib/5764

[3] Vosberg, D. (2018). 10 Jahre Allianz-Lizenzen an der TIB – ein kurzer Blick zurück. TIB-Blog. https://blog.tib.eu/2018/12/13/10-jahre-allianz-lizenzen-an-der-tib-ein-kurzer-blick-zurueck/

[4] Wissenschaftsrat (2022): Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access; Köln. https://doi.org/10.57674/fyrc-vb61

… leitet seit 2015 das Team Lizenzservice im Bereich Medien- und Lizenzmanagement der TIB und koordiniert dort die Tätigkeiten im Konsortialgeschäft.