Editing a scholarly journal: Studentisches Publizieren als Seminarinhalt

In der Reihe „Studentisches Publizieren” zeigen wir, wie Studierende die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichen können. Im Gespräch mit Philipp Köker, Akademischer Rat am Institut für Politikwissenschaft der Leibniz Universität Hannover, berichten in diesem Beitrag Kathleen Loock und Felix Brinker von ihrer Zeitschrift „In Progress: A Graduate Journal of North American Studies” und dem Seminar „Editing a Scholarly Journal”.

Was hat Sie dazu bewegt, eine studentische Fachzeitschrift zu gründen?

Kathleen Loock: Die Idee, eine Fachzeitschrift zu gründen, kam im Gespräch mit Studierenden zustande. Es ging zunächst darum, exzellente Forschungsarbeiten unserer Studierenden sichtbarer zu machen und auch den kreativen studentischen Projekten, die regelmäßig in den Independent Studies-Kursen unseres Masterstudiengangs entstehen, eine Plattform zu geben. Das Interesse der Studierenden war ausschlaggebend dafür, dass wir das Projekt überhaupt in Angriff nehmen konnten. Ohne ihr Engagement wäre es gar nicht möglich gewesen, eine studentische Fachzeitschrift wie In Progress aufzubauen und dann auch weiterzuführen.

Für den Aufbau der Zeitschrift war auch notwendig, dass Felix und ich die Arbeit an der Zeitschrift regelmäßig in unsere Lehre integrieren können. Jedes Jahr im Wintersemester unterrichten wir gemeinsam den Kurs „Editing a Scholarly Journal”, in dem immer ein neues Editorial-Team die Arbeit am nächsten Heft übernimmt, das dann im folgenden Sommersemester erscheint. Daneben gibt es ein aus Studierenden bestehendes Editorial Board, das über die zeitlich begrenzten Kurse hinweg für Kontinuität sorgt und die wichtigen Entscheidungen rund um das Journal gemeinsam trifft.

Weiterhin musste klar sein, dass Felix und ich langfristige Perspektiven an der LUH haben und unsere Arbeit am Journal fortsetzen sowie die Produktion neuer Hefte begleiten können. Wir wissen, dass das in Zeiten von #IchbinHanna keine Selbstverständlichkeit ist. Schließlich bin ich mit sehr viel Wissen und Erfahrung in der Redaktionsarbeit an die LUH gekommen. Als studentische Hilfskraft habe ich bereits für Fachzeitschriften Korrektur gelesen und in einer wissenschaftlichen Redaktion gearbeitet. Als Wissenschaftlerin habe ich dann als Herausgeberin von Sammelbänden und Themenheften weitere Erfahrungen gesammelt und als Associate Editor die Neuausrichtung der Fachzeitschrift Amerikastudien/American Studies als Open-Access Online-Journal begleitet. Ich habe Workflows und Abläufe entwickelt und konnte so wichtiges Know-how in den Aufbau von In Progress einbringen.

Welche Inhalte und Fähigkeiten lernen die Studierenden in Ihrem Seminar „Editing a Scholarly Journal”?

Kathleen Loock: Zu Beginn des Seminars bringen Felix und ich immer einige Hefte unterschiedlicher Fachzeitschriften in den Kurs und reden mit Studierenden über deren Inhalte, Aufbau und Funktion. Für viele ist es das erste Mal, dass sie so eine Zeitschrift überhaupt in Händen halten. Für die eigene Recherche der Studierenden ist ja inzwischen fast alles online zugänglich (was auch toll ist!). Deswegen ist es uns wichtig, ihnen wissenschaftliche Artikel im Kontext der Zeitschrift zu zeigen und darüber zu sprechen, inwiefern es bei Fachzeitschriften auch darum geht, wissenschaftliche Gemeinschaften zu schaffen und aktuelle Forschung mit Peers zu teilen.

Die Inhalte beziehen sich danach konkreter auf In Progress und die verschiedenen Arbeitsabläufe, die es bis zur Veröffentlichung braucht. Was ist Peer-Review? Wie gebe ich Rückmeldung an Autor:innen? Was ist eine Formatvorlage und wie kann ich darin Texte formatieren? Welche formalen Kriterien müssen für die Veröffentlichung in der Zeitschrift beachtet werden? Worauf muss ich beim Zitierstil (wir verwenden MLA) achten? Das sind alles Fragen, die wir im Kurs nicht nur beantworten, sondern auch ganz praktisch umsetzen.

Darüber hinaus haben die Studierenden im Seminar die Möglichkeit, eine eigene Sektion (die „Open Section”) selbst zu konzipieren und die Beiträge zu verfassen. Zuletzt haben wir hier einen umfassenden Konferenzbericht zu einer Tagung von Doktorand:innen unseres Fachs inklusive Interviews mit den Organisatorinnen und der Keynote Speakerin veröffentlicht. In diesem Rahmen wurden aber nicht nur Texte angefertigt – Studierende produzierten auch Videos und Collagen, sodass wir die ganze Bandbreite multimedialer Möglichkeiten eines Online-Journals nutzen konnten.

Kurzum: die Studierenden im Seminar sind so an allen Prozessen und Aufgaben der Zeitschrift beteiligt und üben verschiedene wissenschaftliche und technische Fähigkeiten, die sowohl für die weitere studentische Laufbahn als auch für das Berufsleben extrem wertvoll sind.

Wie haben Studierende das Seminar aufgenommen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Felix Brinker: Insgesamt war die Resonanz sehr positiv – sowohl im Seminar selbst als auch nach Veranstaltungsende. Im Seminar kam besonders positiv an, dass die Studierenden einen Blick „hinter die Kulissen” akademischen Publizierens werfen und dabei vielleicht das erste Mal überhaupt darüber reflektieren konnten, wie genau die Veröffentlichung wissenschaftlicher Texte abläuft und was alles geschehen muss, damit wissenschaftliche Texte zirkulieren und öffentlich zugänglich werden können. Studierenden begegnen wissenschaftliche Texte ja meist als Seminarlektüre oder in der Recherche für eigene Arbeiten – aber dass hinter deren Veröffentlichung anspruchsvolle Auswahl-, Review- und Lektoratsprozesse stehen, ist den allermeisten nicht bewusst.

Durch die praktische Arbeit mit und an den Texten anderer lernen unsere Studierenden zudem, besser einzuschätzen, was gute wissenschaftliche Arbeiten eigentlich auszeichnet – und wie wichtig Prozesse der Überarbeitung und des Feedbacks eigentlich sind, damit wissenschaftliche Texte ein gewisses Niveau erreichen. Idealerweise können dann später auch die eigenen Arbeiten unserer Seminarteilnehmer:innen von diesem Wissen profitieren.

Dass die Studierenden diese Dinge zu schätzen wissen, merken wir auch an deren Interesse an der weiteren Mitarbeit in unserem Projekt. Bisher haben wir das Seminar zweimal unterrichtet und jedes Mal waren einige unserer Studierenden so von der Arbeit an der Zeitschrift angetan, dass sie nach dem Ende der Veranstaltung Teil unseres Redaktionsteams bleiben wollten und ihre Mitarbeit über das Semesterende fortgesetzt haben.

Was würden Sie anderen Dozierenden raten, die studentisches Publizieren in ihre Lehre integrieren möchten?

Felix Brinker: Ich denke, es ist hier zunächst wichtig, den Organisations- und Arbeitsaufwand nicht zu unterschätzen, den ein Zeitschriftenprojekt wie das unsere so mit sich bringt – was die Vorbereitungen und den Vorlauf bis zur Publikation der ersten Ausgabe angeht, aber auch die weitere Begleitung und Betreuung der Zeitschrift, wenn sie einmal läuft.

In unserem Fall ist von der Idee zur Gründung unseres Journals und den ersten Planungen bis zum Erscheinen der ersten Ausgabe mehr als ein Jahr vergangen. In dieser Zeit waren wir alles andere als untätig und haben uns, neben grundlegenden Entscheidungen zur Namensgebung sowie zur inhaltlichen und formalen Gestaltung des Journals, mit sehr vielen Aspekten der Arbeitsorganisation und Planung beschäftigt. Wir haben zum Beispiel Konzepte geschrieben, Workflows für unsere redaktionellen Abläufe erstellt, Mittel für die Finanzierung von studentischen Hilfskräften eingeworben, die Struktur unseres Webauftritts entworfen, eine Grafikdesignerin mit dem Entwurf des Logos für das Journal beauftragt und viele, viele kleinere Dinge erledigt, die notwendig waren, damit das Projekt überhaupt an den Start gehen konnte.

Bei all diesen Dingen hatten wir das Glück, dass wir gleich von Anfang an auf die Mitarbeit von Studierenden unseres Lehrgebiets bauen konnten – in der Tat ging der erste Impuls zur Gründung des Journals nicht nur von uns aus, sondern wurde zeitgleich auch von einigen unserer Studierenden angestoßen. Dadurch konnten wir gleich von Anfang an die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen und sicherstellen, dass die Zeitschrift auch tatsächlich als studentisches Projekt wahrgenommen wird.

Insgesamt ist auch ein guter infrastruktureller Support von Seiten der Universität wichtig: Wie schon erwähnt können Kathleen und ich einen großen Teil der Redaktionsarbeit im Rahmen eines jährlich angebotenen Projektseminars erledigen, welches von Studierenden unseres internationalen Masterstudiengangs North American Studies belegt wird. Diese Lehrtätigkeit wird von regelmäßigen Redaktionssitzungen mit einem erweiterten Team von studentischen Redakteur:innen flankiert. Ohne diese Verankerung in unserer Lehre, die Regelmäßigkeit der Projektseminare und die aktive Mitarbeit weiterer Studierender wäre die Herausgabe des Journals sehr viel schwieriger.

Was die Integration des Publizierens in die Lehre angeht, so sollte man sich also bewusst machen, dass diese Dinge recht voraussetzungsvoll sind und viel Vorlauf brauchen. Außerdem bringen viele dieser Tätigkeiten nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Dozierenden eine Lernkurve mit sich. Das erfordert eine Offenheit, die eigenen Pläne und Prozesse regelmäßig zu überprüfen und anzupassen. Aufbauend auf unseren Erfahrungen aus dem ersten Projektseminar und den Arbeiten zur ersten und zweiten Ausgabe haben wir zum Beispiel unsere Peer-Review- und Lektoratsprozesse für die dritte Ausgabe etwas überdacht und kleinere Aspekte unserer Arbeit neu justiert. In diesem Sinne bleiben also unsere Arbeitsweisen ebenfalls ein work in progress.

Welche Bedeutung haben Graduate Journals außerhalb der Lehre? Wie werden sie in der Forschung wahrgenommen?

Felix Brinker: Da es sich bei unserer Zeitschrift ja um ein noch recht junges Projekt handelt, ist es für uns noch etwas schwierig, unseren Impact einzuschätzen. Da unsere Zeitschrift aber über das Repositorium unserer Universität auch durch internationale Bibliothekskataloge verfügbar ist und wir Zugriff auf die Nutzerstatistiken haben, wissen wir, dass wir eine internationale Leserschaft und recht beeindruckende Downloadzahlen haben. Allein die Inhalte unserer ersten Ausgabe wurden in diesem und dem letzten Jahr bereits über 2.800 Mal heruntergeladen. Dazu kommen noch die für uns etwas schwieriger zu quantifizierenden Aufrufe des Webauftritts unseres Journals. Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass unsere Zeitschrift auch von einem Fachpublikum wahrgenommen wird und gerade auch die Forschungsarbeiten unserer Autor:innen interessierte Leser:innen finden.

Darüber hinaus weiß ich aus eigener Erfahrung, dass publizierte Artikel von Masterstudierenden durchaus auch von Kolleg:innen wahrgenommen und zitiert werden – ich selbst konnte 2012 Jahren meine erste wissenschaftliche Veröffentlichung im Graduiertenjournal Aspeers der Kolleg:innen von der Universität Leipzig publizieren, und dieser Text wird immer noch ab und an von anderen Autoren zitiert. Das macht mich selbst natürlich glücklich, zeigt aber auch, dass auch die Inhalte von Graduiertenjournals als ,richtige’ Forschung wahrgenommen werden.

In Progress: A Graduate Journal of North American Studies

In Progress ist eine begutachtete Online-Zeitschrift des Englischen Seminars der Leibniz Universität Hannover, die im Jahr 2023 ins Leben gerufen wurde. Die Zeitschrift veröffentlicht exzellente wissenschaftliche Arbeiten von Studierenden im Bereich der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft mit besonderem (aber nicht ausschließlichem) Fokus auf den Bereich der Nordamerikastudien. Weiterhin veröffentlicht InProgress andere innovative studentische Arbeiten, wie zum Beispiel Video-Essays, Gedichte und Interviews.

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Philipp Köker

… ist Akademischer Rat am Institut für Politikwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und unterstützt seit mehreren Jahren studentische Fachzeitschriften sowie Studierende, die ihre Haus- und Abschlussarbeiten publizieren möchten.

Kathleen Loock

… ist Juniorprofessorin für American Studies und Medienwissenschaften am Englischen Seminar der Leibniz Universität Hannover und Leiterin der DFG-geförderten Emmy Noether-Forschungsgruppe „Hollywood Memories“.

Felix Brinker

… ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in American Studies am Englischen Seminar der Leibniz Universität Hannover.