Drei Fragen an Margret Plank und Matti Stöhr zum TIB AV-Portal

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Das TIB AV-Portal, das Videoportal der TIB, feiert in diesem Monat sein 10-jähriges Jubiläum. Das ist für uns eine schöne Gelegenheit, um mit Magret Plank und Matti Stöhr über das Portal zu sprechen. Margret Plank ist als Leiterin des Labs Nicht-Textuelle Materialien von Anfang an für das TIB AV-Portal verantwortlich, Matti Stöhr begleitet es seit Mai 2020 als Community Manager.

Herzlichen Glückwunsch zu zehn Jahren TIB AV-Portal! Ein perfekter Anlass, um den Blick auf die Anfänge, die Gegenwart und auch die Zukunft des TIB AV-Portals zu werfen. Beginnen wir bei den Anfängen: Wie entstand die Idee zu einem Videoportal für die Wissenschaft und wie ging es danach weiter?

Porträtfoto von Margret Plank
Margret Plank // Foto: TIB/C. Bierwagen

Margret Plank: Als wir 2010 anfingen, uns mit dem Thema Wissenschaftsfilm zu beschäftigen, war es unser Ziel, wissenschaftliche Videos besser zugänglich und nutzbar zu machen. Damals war schon klar, dass die TIB die Bestände des ehemaligen Institutes für Wissen und Medien – kurz IWF – übernehmen würde, also Bestände aus 100 Jahre Wissenschaftsfilm. Außerdem nahm die Produktion von wissenschaftlichen Videos in unterschiedlichen Formaten stark zu, sogar die NASA startete damals einen YouTube-Kanal.

Die Entwicklung unseres Portals zielte auf Benutzerfreundlichkeit und nutzte in der Frühphase Experteninterviews und Umfeldanalysen. Unsere Vision war ein Videoportal, das zusätzlich zu den Metadaten die gesprochene Sprache, Text und Bildinformationen indexiert: Damit wären Videos dann genauso gut durchsuchbar wie ein Volltext. Jedes Video sollte einen DOI (Digital Object Identifier) erhalten und sekundengenau zitierbar sein.

Bei der Umfeldanalyse stießen wir auf ein Projekt des Hasso-Plattner-Instituts, das gemeinsam mit den Firmen FlowWorks und Filmwerte an einem Videoportal für Filmarchive arbeitete. Wir haben uns dann zusammengetan und einen Prototyp erstellt, den wir mit der Firma Usability.de auf der CEBIT 2013 getestet haben. Das endgültige Produkt – das TIB AV-Portal – startete schließlich im April 2014 mit 2.000 Videos.

Bastian DreesDas TIB AV-Portal kombiniert das Beste aus verschiedenen Welten. Es vereint Best Practice wissenschaftlicher Repositorien wie DOI, Metadatenstandards und Langzeitarchivierung mit der Usability moderner Videoplattformen und ist Vorreiter beim Einsatz automatischer Erschließung durch Sprach-, Text- und Bilderkennung.

Bastian Drees, Leiter der EMBL-Szilard Library und ehemaliger Community Manager des TIB AV-Portals

Matti Stöhr: In den Folgejahren nahm das TIB AV-Portal auf ganz vielen verschiedenen Ebenen eine – Vorsicht: Spoiler – als Erfolgsgeschichte zu wertende Entwicklung. Denn von vornherein war klar, dass sich die Plattform nicht auf die Speicherung und (innovative) Verfügbarmachung des historischen IWF-Filmerbes beschränkt. Gezielt und teils kampagnenartig wurden und werden bis heute aktuelle wissenschaftliche Filme in voller Genrevielfalt aktiv und erfolgreich akquiriert: von Konferenzaufzeichnungen über Lehrfilme bis hin zu Video Abstracts.

Porträtbild Matti Stöhr
Matti Stöhr // Foto: TIB/C. Bierwagen

Das war und ist nicht trivial, denn unser Credo ist die verbindliche, langfristige Klärung von Urheber- und Persönlichkeitsrechten. Und das möglichst in Form offener Creative Commons-Lizenzierung. Zunehmend kamen, auch und gerade durch intensive Öffentlichkeits- und Communityarbeit, immer mehr wissenschaftliche Einrichtungen und einzelne Forschende mit ihren Videos auf uns zu. Mitte 2017 waren im Portal bereits 10.000 Videos, zwei Jahre später schon 20.000. Seit Ende 2022 sind nun weit über 40.000 Videos recherchier- und anschaubar und dank Open Data auch mehrheitlich umfangreich und flexibel nachnutzbar.

Außerdem konnte das Portal nach seinem Launch 2014 und weiteren Folgeprojekten als Service der TIB verstetigt und etabliert werden. Dieser „lange Atem“ macht unter anderem eine fortlaufende, mit der Gründung des Scrum-Teams 2018 prinzipiell agil-iterative, „State of the Art“-Entwicklung möglich. Mehr dazu im noch folgenden Blogpost unseres Product Owners Sven Strobel. Es sei nur so viel gespoilert: Wie viel sich allein am „Look and Feel“ im Laufe der Jahre verändert hat, aber im Kern doch konstant und geblieben ist, lässt sich anhand der verschiedenen Tutorial-Versionen zum TIB AV-Portal aus den Jahren 2014, 2016 und 2022 erahnen.

Und heute? Was macht das TIB AV-Portal besonders, wie wird es nach zehn Jahren von den Nutzer:innen angenommen und welche Rolle spielen Videos inzwischen in der Wissenschaft?

Matti Stöhr: Das Portal besticht ungebrochen durch sekundengenaue Zitierbarkeit und weitestgehende Nachnutzbarkeit des Videocontents. Auch der verlässliche, nichtkommerzielle Charakter, vor allem die Werbefreiheit, hat jüngst an Gewicht gewonnen. Die seit jeher existierende automatische Videoanalyse – zunehmend mit KI-Einsatz – ist in dieser Form ebenso einzigartig. Abgesehen vom bereits angesprochenen, kontinuierlichen Content-Aufwuchs sind wir natürlich sehr froh darüber, dass das TIB AV-Portal immer stärker wahrgenommen und genutzt wurde und wird. Besonders die Corona-Pandemie wirkte da offenbar als „Booster“ mit rund 695.000 Besuchen im Jahr 2020 und gar über 810.000 im Jahr 2021 gegenüber 463.000 im Jahr 2019.

Videos, auch und gerade in der Wissenschaft, wurden in den letzten Jahren immer beliebter, wichtiger und vor allem normaler. Man denke nur an relativ leicht aufzuzeichnende virtuelle und/oder hybride Veranstaltungen, von Einzelvorträgen und Workshops bis hin zu ganzen Konferenzen. Das schlägt sich bis heute im AV-Portal nieder.

Das Lernen mit Videos wird auch immer selbstverständlicher. Auch bei uns gibt es immer mehr Erklärvideos und Tutorials – die meisten als Open Educational Resources (OER). Zur Illustration: Waren es bis Erscheinungsjahr 2019 knapp 600, kamen allein von 2020 bis heute mit über 1.100 Videos fast doppelt so viele hinzu.

Helene Strauß

Ich habe im Rahmen von open-access.network mittlerweile mehr als 40 Videos zum Thema Open Access über das TIB AV-Portal veröffentlicht. Unsere Videos sind dort langfristig sicher abgelegt und weltweit zugänglich – ganz ohne Werbung und kommerzielle Interessen an Nutzungsdaten.

Helene Strauß, Mitarbeiterin im BMBF-Projekt open-access.network

Margret Plank: Apropos OER-Videos: Sie sind ein wunderbarer Aufhänger und ein gutes Beispiel für die verstärkte Integration und Verzahnung des Portals mit anderen TIB-Services, allen voran mit unserem OER-Portal twillo und dem Open Educational Resources Search Index (OERSI). Über Letzteren sind etwa alle als OER identifizierten Videos zusammen mit vielen anderen offenen Bildungsmaterialien recherchierbar.

Darüber hinaus bilden das TIB AV-Portal und TIB ConRec – unser Dienst für Konferenzaufzeichnungen und wissenschaftliche Videoproduktion – zusammen mit TIB Open Publishing und auch ConfIDent – ein integriertes, modulares Serviceangebot für wissenschaftliche Veranstaltungen. Außerdem wichtig: Videocontent soll(te) seit jeher nicht ausschließlich über das Portal auffindbar, sondern über verschiedene Wege und Informationssysteme und Plattformen mitunter gezielt kuratiert sichtbar sein. Dazu gehört selbstverständlich nicht nur das TIB-Portal und der K10Plus als Metasuche, sondern auch diverse (nicht nur) bibliothekarische Fachdatenbanken wie die Deutsche Digitale Bibliothek oder vor allem Europeana.

Das TIB AV-Portal gehört unter anderem seit 2020 zu den offiziellen Europeana Aggregatoren und das Lab Nicht-Textuelle Materialien war maßgeblich an der Entwicklung des Europeana Media Players beteiligt. Die auch mengenmäßig relevante Sicht- und Recherchierbarkeit von Wissenschaftvideos und damit der Einstieg ins Portal erfolgt aber ungebrochen besonders über Suchmaschinen.

Screenshot OERSI mit Filterung von OER-Videos mit dem TIB AV-Portal als Quelle
Screenshot vom OERSI mit Filterung von OER-Videos mit dem TIB AV-Portal als Quelle

Das waren also die ersten zehn Jahre des TIB AV-Portals bis heute. Wie werden die kommenden zehn Jahre AV-Portal möglicherweise aussehen? Welche neuen Features sind geplant, welche Herausforderungen gibt es?

Margret Plank: Die Relevanz von Videos in Wissenschaft und Lehre wird aus meiner Sicht weiter zunehmen und das AV-Portal wird hierbei eine zentrale Funktion übernehmen. Daher werden die nächsten zehn Jahre des TIB AV-Portals durch ständige Weiterentwicklungen und Verbesserungen geprägt sein. Eine wichtige Rolle dabei wird die rasante Weiterentwicklung und Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) spielen, welche für neue Features und Funktionen genutzt werden kann. Ein besonderer Fokus wird zudem auf der Befähigung von Nutzenden liegen, wie beispielsweise der KI-basierten Produktion von wissenschaftlichen Videos. Darüber hinaus möchten wir die Accountfunktionen für eine bedarfsbezogene und noch effizientere Nutzung erweitern.

Im Hinblick auf die Geschwindigkeit wird es darum gehen, den Publikationsworkflow und die Rechteklärung weiter zu vereinfachen und zu automatisieren. Herausforderungen bestehen jedoch unter anderem in der Bewältigung von „Fake Videos“ und automatisch generierten Videos. Daher wird es von entscheidender Bedeutung sein, Mechanismen zur Feststellung der Authentizität von Inhalten zu verbessern, um die Qualität und Zuverlässigkeit des Portals sicherzustellen.

Die Ausweitung von Medienpartnerschaften und der Aufbau von Exklusivinhalten werden einen großen Beitrag zu unserem Wachstum und einem nachhaltigen Dienst leisten. Unser Ziel ist es auch, das Portal mit weiteren TIB-Diensten zu integrieren und darüber hinaus weiterzuentwickeln. So wollen wir das TIB AV-Portal zu einem zentralen Hub für OER-Videos auszubauen, um den Zugang zu hochwertigem Bildungsmaterial zu ermöglichen und zu erleichtern. Mit diesen zahlreichen Neuerungen und Entwicklungen wird das Portal zu einem noch leistungsfähigeren und wertvolleren Service für unsere Nutzer:innen.

Ausschhnitt von der Startseite des TIB AV-Portals
Ausschhnitt von der Startseite des TIB AV-Portals

Matti Stöhr: Ich kann da nur beipflichten. Als ich in Nachfolge von Bastian Drees, nun Leiter der EMBL-Szilard Library in Heidelberg, im Mai 2020 meine Arbeit und Rolle als Community Manager und Redakteur für‘s TIB AV-Portal aufgenommen habe, fand ich ein richtig gut funktionierendes, etabliertes System vor. Ich kann bis heute wunderbar auf bestehende Vorarbeiten, Workflows und Kooperationen aufbauen. Dabei waren damals bestimmte – auch die von Margret angeteaserten – Aktivitäten und Herausforderungen bereits virulent, die auch heute noch wichtig sind und auch in den kommenden Jahren bis Jahrzehnten relevant sein werden.

Obwohl Videos ein Trend sind und den Zeitgeist widerspiegeln: Es ist ein langer Prozess, Wissenschaftsfilme als „echte“ wissenschaftliche Publikationen inklusive der Anerkennung in der Wissenschaft zu etablieren. Das gilt besonders in der teils sehr fachspezifischen Kultur des wissenschaftlichen Arbeitens, Publizierens und Kommunizierens sowie in der interdisziplinären Breite, aber auch für das Bekenntnis zu Open Science. Das TIB AV-Portal leistet dazu seit jeher und auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag. Damit ist es in einem sich dynamisch entwickelnden Service- und Featureportfolio genauso wie Videos selbst in ständiger Bewegung. Es ist und bleibt spannend.

Das TIB AV-Portal – Wissen(schaft) im Videoformat

Wissenschaftliche Filme finden, nutzen und publizieren: Das TIB AV-Portal ist die nichtkommerzielle Plattform für wissenschaftliche Filme – für Technik und Naturwissen­schaften und weit darüber hinaus.

  • FINDEN: Relevante Videoinhalte pass- und sekundengenau finden. Diverse Suchfunktionen – etwa Filter und Empfehlungen – werden mit KI-basierten Analyseverfahren für Bild, Text und Ton für bestmögliche Rechercheergebnisse kombiniert.
  • NUTZEN: Wissenschaftsvideos und einzelne Filmsegmente so einfach zitieren wie Texte – dank Digital Object Identifier (DOI). Je nach Lizenz (Creative Commons) sind Videoinhalte flexibel nachnutzbar.
  • PUBLIZIEREN: Videos unkompliziert und kostenfrei veröffentlichen – etwa über unser Upload-Formular oder Cloud-Transfer. Professionelles Metadatenmanagement, Suchmaschinenoptimierung und Embed-Funktionen sorgen für größtmögliche Sichtbarkeit.

Mehr Informationen und Kontext gibt’s auch im Themeneinstieg „Wissenschaftliche Filme“

... ist seit 2012 Leiterin des Kompetenzzentrums für nicht-textuelle Materialien an der TIB. Dort werden innovative Infrastrukturen, Werkzeuge und Dienste entwickelt, um Open Educational Resources (OER), Wissenschaftsvideos, Forschungsdaten und wissenschaftliche Software besser nutzbar und zugänglich zu machen. Sie ist unter anderem für das TIB AV-Portal, das OER-Portal twillo und den Konferenzaufzeichnungsdienst TIB ConRec verantwortlich.

... arbeitet seit Mai 2020 an der TIB mit Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation besonders als Community Manager für das TIB AV-Portal. // ... has been working at the TIB since May 2020, specialising in science communication, especially as Community Manager for the TIB AV-Portal.

... arbeitet seit 2012 als Pressereferentin in der Stabsstelle Kommunikation an der TIB.