Studentisches Publizieren: Neue Impulse für Wissenschaft und Hochschullehre

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Das Publizieren von Forschungsergebnissen ist unerlässlich für den wissenschaftlichen Fortschritt: Neue Erkenntnisse werden mit anderen Wissenschaftler:innen geteilt und können von ihnen überprüft und weiterentwickelt werden. Ergebnisse studentischer Forschung, die im Rahmen von Haus- oder Abschlussarbeiten erarbeitet wurden, bleiben in diesen Prozessen leider meist außen vor. In unserer Blogreihe „Studentisches Publizieren“ zeigen wir, wie es anders gehen kann.

Durch eine Veröffentlichung werden neue Erkenntnisse nicht nur mit anderen Wissenschaftler:innen geteilt und können von ihnen überprüft und weiterentwickelt werden. Gleichzeitig dokumentieren Publikationen die Urheberschaft für neue Entdeckungen oder Argumente.

Ergebnisse studentischer Forschung, die im Rahmen von Haus- oder Abschlussarbeiten erarbeitet wurden, bleiben in diesen Prozessen meist außen vor. Dabei bergen gerade diese Arbeiten ein besonderes Potenzial für den wissenschaftlichen Fortschritt und eröffnen neue Impulse für die Weiterentwicklung der Hochschullehre.

Das Potenzial studentischer Forschung

Studierende verfassen während ihres Studiums zahlreiche Arbeiten, die oft nur von den Prüfenden gelesen werden. Dabei behandeln sie häufig aktuelle Fragestellungen, die im wissenschaftlichen Mainstream bisher nur wenig Beachtung gefunden haben. Studierende tragen für ihre Arbeiten zudem meist eine enorme Breite an Quellen zusammen oder dokumentieren bisher unbekannte Phänomene.

Weil sich Studierende oft noch nicht in festen Denkschulen verorten, können sie dabei neue Perspektiven entwickeln, die sich von etablierten Deutungsmustern unterscheiden. Doch wenn studentische Arbeiten in Schubladen verschwinden – oder gar auf fragwürdigen Hausarbeiten-Portalen hochgeladen werden – bleiben diese Einblicke der Wissenschaftswelt vorenthalten.

Was ist studentisches Publizieren und welche Formen gibt es?

Um die Sichtbarkeit studentischer Forschung zu erhöhen, haben sich verschiedene Initiativen etabliert, die studentisches Publizieren fördern. Ganz allgemein handelt es sich dabei um die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten durch Studierende. Dabei werden jedoch meist nur solche Angebote unter den Begriff gefasst, die eine eigene Qualitätskontrolle besitzen und sich so von nicht-wissenschaftlichen Formaten oder Raubverlagen absetzen.

Studentische Fachzeitschriften sind als Format am weitesten verbreitet. Diese sind oft an Institute oder Vereine angegliedert und funktionieren analog zu etablierten Zeitschriften. Unter studentischer Leitung (teilweise mit Unterstützung etablierter Wissenschaftler:innen) veröffentlichen diese Zeitschriften Aufsätze, nachdem diese ein Begutachtungsverfahren durchlaufen haben. Genauso gibt es aber auch Working Paper-Reihen einzelner Institute und Lehrstühle, die besonders gelungene Haus- und Abschlussarbeiten veröffentlichen. Während sich die Formate darin unterschieden, inwiefern Arbeiten vor der Veröffentlichung noch einmal überarbeitet werden, haben sie gemeinsam, dass sie nahezu ausschließlich in Open Access zur Verfügung gestellt werden – sei es durch Abkommen mit Verlagen oder durch die Veröffentlichung in universitären Repositorien.

In welchen Fächern wird studentisches Publizieren praktiziert?

Studentisches Publizieren ist bisher über Fächer hinweg sehr unterschiedlich verbreitet. Traditionell finden sich Initiativen vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Insbesondere in der Politikwissenschaft und der Soziologie gibt es sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international zahlreiche Zeitschriften. In der Rechtswissenschaft sind studentische Fachzeitschriften ebenfalls schon länger etabliert. So genannte Law Reviews veröffentlichen neben Fachaufsätzen meist auch sehr gute Klausurlösungen und neue Rechtsprechung, um Studierenden die Vorbereitung auf das Examen zu erleichtern.

In den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern sind vergleichbare Formate hingegen nur selten zu finden. Dies lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass publikationswürdige Ergebnisse hier aufgrund technischer Voraussetzungen (limitierter Zugang zu Laboren und Maschinen, keine Möglichkeit zur Aufstellung eigener Versuchsreihen) selten von Studierenden allein erzielt werden können. Zum anderen werden Studierende, die an größeren Forschungsvorhaben mitwirken, in diesen Fächern aber auch eher als Ko-Autor:innen bei Publikationen berücksichtigt und aktiver miteinbezogen.

Welche Vorteile hat die (studentische) Publikation?

Studentisches Publizieren bietet zahlreiche Vorteile für Studierende, Dozierende und Hochschulen. Studierende können ihre Expertise in einem Thema vertiefen und erhalten durch den Begutachtungsprozess hilfreiche Hinweise für zukünftige Arbeiten. Eine eigene wissenschaftliche Veröffentlichung ist zudem bei Bewerbungen ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal.

Dozierende hingegen können durch die Einbindung von studentischem Publizieren in Lehrveranstaltungen die Motivation der Studierenden und ihre Identifikation mit dem Studienfach nachhaltig stärken. Auch Hochschulen profitieren von einer Publikationskultur, die Studierende als gleichberechtigte Partner im Prozess der Wissensproduktion wahrnimmt.

Herausforderungen des Studentischen Publizierens

Es gibt jedoch auch einige Herausforderungen: Der Weg von der Einreichung eines Manuskripts, über den Begutachtungsprozess bis hin zur Publikation erfordert Durchhaltevermögen von Studierenden. Dozierende müssen dabei teilweise über das jeweilige Seminar hinaus Betreuungsaufwand leisten.

Obwohl studentische Zeitschriften selbst umfangreiche Informationen zur Verfügung stellen und mit „Studentisches Publizieren in den Sozialwissenschaften“ (Springer VS 2024) nun ein erstes Lehrbuch zur Verfügung steht, benötigen Studierende erfahrene Ansprechpartner:innen. Die Kurzlebigkeit einiger studentischer Fachzeitschriften stellt ebenfalls ein Problem dar, da Zeitschriften oft eingestellt werden, wenn keine engagierten Nachfolger:innen für die Redaktion gefunden werden.

Perspektiven für Wissenschaft und Lehre

In vielen Disziplinen gewinnt eine forschungsbasierte Ausbildung, bei der Studierende schon früh eigene Projekte durchführen, an Bedeutung. Studentische Zeitschriften können sich auch als Pioniere der Open-Access-Bewegung bezeichnen, da sie seit jeher frei zugänglich sind. Dennoch braucht es für die langfristige Etablierung einer studentischen Publikationskultur noch größere institutionelle Unterstützung und Anreize. Hochschulen müssen Wege finden, um das Engagement von Dozierenden und Studierenden angemessen zu würdigen, wenn sie vom studentischen Publizieren profitieren wollen.

Studentische Fachzeitschriften – einige Beispiele

Zu einer ausführlichen Zusammenstellung studentischer Zeitschriften

Philipp Köker

… ist Akademischer Rat am Institut für Politikwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und unterstützt seit mehreren Jahren studentische Fachzeitschriften sowie Studierende, die ihre Haus- und Abschlussarbeiten publizieren möchten.

Morten Harmening

… ist Doktorand am Institut für Politikwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und war von 2019 bis 2023 Herausgeber der Working Paper Reihe der Deutschen Nachwuchsgesellschaft für Politik- und Sozialwissenschaften (DNGPS e.V.).