Jedes Steinchen passt aufs Vorige: das Stacks Project und kollaboratives Publizieren in der Mathematik

read this article in English

Am 14. März wird alljährlich der Internationale Tag der Mathematik, inzwischen zusammen mit dem PI-Tag, gefeiert. In den letzten Jahren haben wir auch hier im Blog diesen Tag häufiger gewürdigt.

Poster des Internationalen Tages der Mathematik 2024

Dieses Jahr steht der IDM314 unter dem schönen Motto „Spiel mit Mathematik“ oder im engl. Original: „Playing with Maths“. Aber was hat das mit sogenannten Stacks zu tun?

Nein, es handelt sich bei Stacks nicht um Türmchen aus Bausteinen. Algebraische Stacks sind wie viele Konzepte aus der algebraischen Geometrie ziemlich abstrakt und nur mit Rückgriff auf andere mathematische Begriffe zu erklären.

Wie Dan Edidin in seiner Kolumne „What is … A Stack“ erläutert, ist selbst die Herkunft des Namens nicht ganz klar.

Auf das Stacks Project jedoch passt das spielerische Bild des Turms aus Bauklötzen sehr gut: Schon seit 2008 trägt eine mathematische Community ihr Wissen um und ihre Begeisterung für algebraische Stacks in diesem bemerkenswerten Gemeinschaftswerk zusammen.

Das Stacks Project

Turm aus Bauklötzen (Wikimedia Commons)

Am Anfang stand die Idee einer kleinen Gruppe, gemeinsam einen einführenden Text zu schreiben, der es Studierenden ermöglichen soll, sich der Forschung zu algebraischen Stacks anzunähern. Daraus ist längst eine umfangreiche Web-Ressource und ein umfassendes Referenzwerk zur algebraischen Geometrie geworden.

So lautet denn auch die Selbstbeschreibung des Stacks Projects: „an open source reference work and textbook on algebraic stacks and the algebraic geometry needed to define them“ – ein quelloffener Text, der zugleich Lehrbuch und Nachschlagewerk ist. Und der sich nicht nur als Turm in die Höhen der Abstraktion erhebt sondern – anders als viele Bauklotztürmchen – auch feste Fundamente in Form aufeinander aufbauender Beiträge und Beweise vorweisen kann.

Ein lebendes Dokument mit aktuell 116 Kapiteln und 7.500 Seiten

Über die Jahre ist das Stacks Project in die Höhe, Breite und Tiefe gewachsen. Es weist aktuell 116 Kapitel auf, die zusammen über 7.500 Seiten füllen. Als Hypertext, der dazu gedacht ist, online gelesen zu werden, macht das Stacks Project eifrigen Gebrauch von Links und Referenzen zwischen seinen verschiedenen Tags genannten Segmenten. Diese Struktur ermöglicht auch das flexible Umbauen und Anpassen dieses lebenden Dokuments, zum Beispiel, um die Beiträge neuer Mitschreibender einzufügen.

Neue Mitschreibende willkommen

Laut Website des Stacks Projects haben bislang 554 Personen daran mitgewirkt. Und neue Mitschreibende sind gern gesehen, ebenso wie Kommentare und Feedback an die Redaktion. Wer sich berufen fühlt, kann also gerne „mitspielen“ im Sinne konstruktiver Kritik und des offenen wissenschaftlichen Austauschs.

Denn der Charakter als Open-Source-Projekt ist wohl der Aspekt, in dem sich das Stacks Project am deutlichsten von herkömmlicher wissenschaftlicher, insbesondere Lehrbuch-Literatur unterscheidet. Die für fortgeschrittene Lehrbücher üblichen hohen Preise bzw. Lizenzgebühren für E-Books (und das wiederholt mit jeder neuen Auflage) fallen nicht an. Ganz im Gegenteil steht das Stacks Project nicht nur gratis zum Lesen unter einer GNU Free Documentation License zur Verfügung, sondern ebenso dessen Latex-Quellcode über Github. Und es zeigt auf diese Weise auch, wie kollaborative Open Science -Projekte hoch hinaus wachsen können.

Weitere Informationen und Rechercheeinstiege

Holger Israel ist promovierter Astrophysiker und Fachreferent für Mathematik an der TIB. Er beschäftigt sich außerdem mit automatisierter Sacherschließung und Text Data Mining.

... arbeitet seit Mai 2020 an der TIB mit Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation besonders als Community Manager für das TIB AV-Portal. // ... has been working at the TIB since May 2020, specialising in science communication, especially as Community Manager for the TIB AV-Portal.