Rettung von Kulturgut: Wie die TIB ukrainische Open-Access-Zeitschriften systematisch und dauerhaft sichert

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Das TIB-Projekt „EPP UA“ (Electronic Preservation Project for Ukrainian OA journals of TIB relevant subjects) zielt darauf ab, ukrainische Open-Access-Zeitschriften zu sichern und ihre Zugänglichkeit für die kommenden Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu gewährleisten. In diesem Blogbeitrag geben wir einen Einblick in das Projekt.

Am 3. Juli 2023 stellten Saskia Ernert von der TIB, Dr. Sabina Auhunas und Nataliia Kaliuzhna (beide TIB-Gastwissenschaftlerinnen aus der Ukraine) in einem Kurzvortrag gemeinsam das Projekt „EPP UA“ im Rahmen des Workshops „DAAD Ukraine digital: Ensuring academic success in times of crisis – Open Educational Resources mit Ukraine Informatics“ vor. Sie zeigten, wie die TIB sich an der Rettung ukrainischen Kulturguts beteiligt, indem sie dauerhaft ukrainische Open-Access-Zeitscriften sichert.

Drei Frauen halten einen Vortrag, im Hintergurnd ist eine PowerPint-Präsentation zu sehen.
Projektvorstellung am 3. Juli 2023: Dr. Sabina Auhunas (Gastwissenschaftlerin an der TIB, Team Open Science Lab), Saskia Ernert (Team Ostasien/Osteuropa, TIB), Nataliia Kaliuzhna (Gastwissenschaftlerinnen an der TIB, Team Open Science Lab).

Warum verschwinden wissenschaftliche Zeitschriften aus dem Internet?

Es gibt verschiedene Gründe, warum wissenschaftliche Zeitschriften, die auf institutionellen Plattformen gehostet werden, aus dem Internet verschwinden können: zum Beispiel technische Probleme, Hackerangriffe oder der plötzliche Wegfall von Inhalten bei Serveraktualisierungen. Angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine steigt das Risiko des Verlustes wertvoller wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in der Ukraine dramatisch an.

Die Idee zu diesem Projekt entstand kurz nach Kriegsbeginn als Dr. Irina Sens, stellvertretende Direktorin und Leitung Bibliotheksbetrieb an der TIB, beschloss, ukrainische Open-Access-Zeitschriften durch Web-Recording und langfristige digitale Bewahrung zu retten. Das Hauptziel war die sorgfältige Archivierung dieser Zeitschriften mithilfe fortschrittlicher digitaler Bewahrungstechniken, um ihre dauerhafte Zugänglichkeit zu gewährleisten.

Daraufhin entwickelte Heike Gutsche, Teamleiterin für Ostasien/Osteuropa, mit ihren Teamkolleginnen und mit Unterstützung des Teams Langzeitarchivierung den Projektablauf. Die Bereichsleitungen des Wissenschaftlichen Dienstes und des Medien- und Lizenzmanagements definierten die Auswahlkriterien der technisch-naturwissenschaftlich relevanten Open-Access-Zeitschriften. Als Informationsquelle diente unter anderem die Zeitschriftendatenbank UlrichsWeb.

Die Kriterien für die Aufnahme von Zeitschriften umfassten Forschungsdisziplinen, die für die Themenbereiche der TIB relevant sind, insbesondere Architektur, Chemie, Informatik, Ingenieurwesen, Mathematik, Physik, Technik und Naturwissenschaften. Darüber hinaus wurde das Vorhandensein englischsprachiger Artikel und eine angemessene Lizenzierung berücksichtigt.

Der überwiegende Anteil an Metadaten der Open-Access-Zeitschriften war zudem nicht oder in nur unzureichender Qualität in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen, die als zentrale Datenbank für Journals fungiert. Deshalb wurden die Zeitschriften in der ZDB katalogisiert und vervollständigt und die Daten an die deutschen Bibliotheksverbünde und an die Elektronische Zeitschriftendatenbank geliefert.

Der Ansatz des Projektes lehnt sich an die internationale Initiative sucho.org an, die als „Saving Ukrainian Cultural Heritage Online“ weltweite Beachtung fand. Das Team setzt bei EPP UA ebenfalls das Web-Archivierungstool des Webrecorders ein, ein effektives Mittel zum Harvesten: die Zeitschriften-Websites werden vollständig mit allen Inhalten erfasst. Dies bedeutet nicht nur, die Artikel im PDF-Format, sondern auch detaillierte Metadaten und relevante Informationen über die Zeitschriften selbst zu sichern.

Wie der Webrecorder funktionert – eine Beschreibung.

Im Gegensatz zu den kostenpflichtigen internationalen Archivierungsdiensten, wie LOCKSS und Portico, aber auch den ukrainischen Optionen wie die Ukrainische Nationalbibliothek V.I. Vernadsky, die sich auf die Archivierung von Artikeln und Metadaten konzentrieren, verfolgt EPP UA einen ganzheitlichen Ansatz, der sich auf vollständige Webseiten bezieht. Im Moment arbeiten drei Teammitglieder, zwei Gastwissenschaftlerinnen und eine studentische Aushilfskraft in unserem Projekt.

Bereits gerettet: 44 Zeitschriften mit 20.391 Artikeln

Dank der gemeinsamen Bemühungen wurden bisher 44 Zeitschriften erfolgreich webbasiert erfasst, mit insgesamt 20.391 Artikeln und über 21 Gigabyte an Inhalten.

Während des gesamten Prozesses treten verschiedenste Herausforderungen auf, vor allem Stromausfälle in der Ukraine, die oftmals zu keinen oder langsamen Zugriffen auf die Zeitschriften-Websites führten, plötzlich nicht mehr erreichbare Websites, unvorhergesehene Schwierigkeiten bei der Anwendung des Webrecorders und das Fehlen einer ordnungsgemäßen Lizenzierung für die zu erhaltenden Zeitschrifteninhalte.

Die ultimativen Ziele des Projekets sind also die Archivdateien ukrainischer Open-Access-Zeitschriften für unsere Nutzenden leicht zugänglich zu machen, die Inhalte mittels digitaler Langzeitarchivierung dauerhaft zu bewahren und unsere Arbeit den ukrainischen Herausgebern, falls dies nötig sein sollte, zur Verfügung zu stellen.

Die Präsentationsfolien des Vortrags zum Projekt „EPP UA“ sind frei zugänglich: https://doi.org/10.6084/m9.figshare.23631969.v1

Beitragende: Heike Gutsche (Teamleiterin des Team Ostasien/Osteuropa), Saskia Ernert (stellvertr. Teamleiterin des Team Ostasien/Osteuropa), Dr. Sabina Auhunas and Nataliia Kaliuzhna (freiwillige Projektmitarbeiterinnen, Gastwissenschaftlerinnen an der TIB)

PhD in Pharmaceutical Sciences. Head of the Department of Scientific Research and Digitization of the State Scientific and Technical Library of Ukraine. Responsible executor of the national project on creation of software modules of the Ukrainian Research Information System (URIS).
Currently she is a visiting scholar at TIB Open Science Lab.

Bereich Medien- und Lizenzmanagement, Teamleitung Ostasien/Osteuropa // Media and Licensing Management Division, Team Lead East Asia/Eastern Europe.

Bereich Medien- und Lizenzmanagement, stellvertretende Teamleitung Ostasien/Osteuropa // Media and Licensing Management Division, Assitant Team Leader East Asia/Eastern Europe.