Open Access an der TIB: Rückblick 2023

„Community over Commercialization” lautete das Motto der Open Access Week 2023. Ganz ähnlich klingt auch die Quintessenz mehrerer wissenschaftspolitischer Dokumente, die im Laufe des Jahres veröffentlicht wurden. „Der immer stärkeren Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen ist daher gezielt entgegenzutreten”, heißt es etwa in den gemeinsamen Leitlinien von Bund und Ländern zu Open Access. Auch in den „Schlussfolgerungen zu Wegen des hochwertigen, transparenten, offenen, vertrauenswürdigen und fairen wissenschaftlichen Publizierens” des EU-Ministerrats wird die Bedeutung gemeinnütziger Open-Access-Modelle, bei denen auch für Autor:innen keine Gebühren anfallen, betont.

Dementsprechend setzen wir uns auch an der TIB besonders für faire, transparente, von der Wissenschaft getragene Open-Access-Modelle ein. In diesem Rückblick fassen wir unsere wichtigsten Aktivitäten im vergangenen Jahr zusammen. An der Zusammenstellung mitgewirkt haben Nicola Bieg, Sarah Dellmann, Xenia van Edig, Anita Eppelin, Ulrike Kändler, Jessica Michel, Jesko Rücknagel, Corinna Schneider, Helene Strauß, Marco Tullney, Dana Vosberg und Dulip Withanage.

Repositorien

Das Institutionelle Repositorium der Leibniz Universität Hannover überschritt Ende November die Marke von 15.000 Publikationen. Die Dokumente im Repositorium wurden im Jahr 2023 insgesamt 1,27 Millionen mal heruntergeladen. Neben Zweitveröffentlichungen, Dissertationen und vielen anderen Dokumenten wurden mehrere Konferenzbände und Beiträge in Schriftenreihen veröffentlicht. Darunter waren die Konferenzbeiträge der CPSL 2023 1 und 2 und die dreibändigen Kongress-Proceedings zum 11. Internationalen Leibniz-Kongress, zwei neue Publikationen in der Reihe „Qualifikationsarbeiten der Hispanistik und Didaktik des Spanischen”, zwei neue Berichte in der Reihe „LCSS Working Papers” und je ein neuer Band in der  Reihe „Hannoversche Materialien zur Didaktik der Geographie” und „Studentische Abschlussarbeiten im Projekt ‚Die Stadtsprache Hannovers”.

Eine neue Sammlung zur Einreichung von Publikationslisten macht die Rechteprüfung und Zweitveröffentlichung noch einfacher.

TIB Open Publishing

Bei TIB Open Publishing blicken wir auf ein ereignisreiches Jahr 2023 zurück. Neben der Fortführung von bestehender Konferenz-Proceedings-Serien konnten wir den Proceedings-Band der ersten Conference on Research Data Management des NFDI e. V. veröffentlichen. Auch haben wir mit der Publikation von Solar-Energie-Konferenzbeiträgen für den Kunden Conexio-PSE, der die Proceedings zahlreicher Konferenzen bei uns plant, begonnen. Aber nicht nur diverse Konferenz-Proceedings-Bände wurden publiziert, auch zwei Zeitschriften (DAE Panel und Glass Europe) haben erste Artikel veröffentlicht.

Wir haben die Software Open Journal Systems, die wir als Infrastruktur für die Verlagsaktivitäten nutzen, im Jahr 2023 durch eigene Entwicklungsarbeiten und Optimierungen weiter verbessert. Ein wichtiger Meilenstein war die Anpassung von OJS für die Publikation von Konferenz-Proceedings (siehe Vorstellung, Code). Die initiale Entwicklungsarbeit an einem OJS-Plugin für die Konvertierung von LaTeX in PDF ist nun abgeschlossen und steht zur Verteilung an die Community bereit.

Das Projekt CRAFT-OA

Im EU-geförderten Projekt CRAFT-OA haben wir ein Jahr der dreijährigen Projektzeit erfolgreich absolviert. Zwei Projekt-Deliverables, an denen wir maßgeblich beteiligt waren, konnten bereits bei der EU eingereicht werden (siehe „Report on Standards for Best Publishing Practices and Basic Technical Standards, Inspired by the FAIR principles“ und „Report on challenges and help measures faced by OA journals and platforms“).

Über die gesamte Projektlaufzeit werden wir umfassende OJS-Entwicklungsleistungen erbringen. 2023 legten wir den Fokus maßgeblich auf die Implementierung datenschutzkonformer Prozesse in OJS nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)/General Data Protection Regulation (GDPR). Hierzu wurde ein Konzept entwickelt, das mit der weltweiten Community und den Projektpartnern abgestimmt wurde. Im Kontext von OJS-Interoperabilität wurde die technische Kooperation mit Lodel und Janeway fortgesetzt, wobei erste Prototypen für die TEI-JATS-Konvertierung erfolgreich umgesetzt wurden.

PKP Hannover 2023 Sprint

Als enger Partner des Public Knowledge Project haben wir uns gefreut, im September 2023 einen internationalen Workshop, den PKP Hannover 2023 Sprint, auszurichten. Zahlreiche nationale und internationale Expert:innen für OJS und OMP nahmen teil und arbeiteten an aktuellen und künftigen Features der PKP-Software. Ein dritter Workshoptag war der Diskussion der CRAFT-OA-Arbeiten gewidmet. Mittlerweile wurden die Zusammenfassungen der Arbeiten veröffentlicht. Wir bedanken uns für die gute Resonanz und das positive Feedback sowie für die tatkräftige Unterstützung von TIB-Kolleg:innen. Auch über die engere OJS-Community hinaus ist das Thema Vernetzung für uns wichtig: Neben unserer Mitgliedschaft bei der OASPA sind wir nun auch Mitglied bei der AG Universitätsverlage.

In den nächsten Monaten erwarten wir weitere Konferenz- und Zeitschriftenveröffentlichungen auf TIB Open Publishing und neue OJS-Features. Wir freuen uns auf ein spannendes und erfolgreiches Jahr 2024 und auf die Zusammenarbeit mit unseren Partner:innen und Kund:innen.

Finanzierung

Konsortien

Als Konsortialführung konnte die TIB auch im vergangenen Jahr wieder neue Verträge mit Publish-Komponenten für Hochschulen und Forschungseinrichtungen verhandeln. Dazu gehört der erste deutsche Transformationsvertrag für die Volltextdatenbank Scientific.Net, deren Fokus auf der Festkörper- und Materialforschung liegt. Eine neue Vereinbarung mit der Royal Society of Chemistry (RSC) wird in den nächsten Jahren Konsortialteilnehmer dabei unterstützen, von dem derzeitigen hybriden Modell in ein reines Open-Access-Modell überzugehen – die komplette Umstellung des Zeitschriftenportfolios der britischen Fachgesellschaft ist für das Jahr 2028 geplant. Auch die Read & Publish-Modelle des American Institute of Physics (AIP) und der International Society for Optics and Photonics (SPIE) werden für jeweils drei weitere Jahre als Konsortialangebote fortgesetzt und ermöglichen Autor:innen weiterhin das kostenfreie Veröffentlichen in forschungsrelevanten Publikationsorganen unter einer Creative-Commons-Lizenz. Die TIB war zudem in die Verhandlungen für ein erstes deutschlandweites Konsortium mit dem OA-Verlagsriesen Frontiers involviert.

Ein weiterer Erfolg war die Finanzierung von 37 Open-Access-Büchern der Nomos Verlagsgesellschaft durch Fördermittel der Initiative Hochschule.digital Niedersachsen, welche durch TIB-Konsortien koordiniert wurde. Durch dieses Projekt konnten wir wichtige Erfahrungen in der Entwicklung und Implementierung von neuen Lizenzmodellen machen, die die Finanzierung von Publikationsdienstleistungen im Buchbereich zum Ziel haben.

Die Projekte KOALA und KOALA-AV

Die TIB engagiert sich auch für APC-freies Open Access: 54 Einrichtungen bilden im Rahmen von KOALA (Konsortiale Open-Access-Lösungen aufbauen) das Finanzierungskonsortium für sechs Zeitschriften aus dem Bereich der Mathematik und Informatik. Das Besondere: Diese Zeitschriften werden von Vereinen und Wissenschaftsorganisationen herausgegeben, nicht von gewinnorientierten Verlagen. So werden jährlich circa 330 Artikel im Open Access erscheinen, bei denen keine Publikationsgebühren für die Autor:innen anfallen und Qualitätsstandards eingehalten werden. Die Anzahl der Diamond-Open-Access-Konsortien der TIB hat sich damit auf insgesamt drei erhöht. Der 1. September war der Startschuss für das Projekt KOALA-AV, das die Erfahrungen der TIB zu solchen Finanzierungskonsortien nun an andere Einrichtungen transferieren wird und die konsortiale Open-Access-Finanzierung internationalisiert.

Open-Access-Finanzierung und Publikationsfonds

Das Angebot an Open-Access-Verträgen für die Leibniz Universität Hannover (LUH) ist auch 2023 weiter gewachsen: Insgesamt 18 Verträge ermöglichten den LUH-Forschenden kostenfreies Open-Access-Publizieren in den Zeitschriften der betreffenden Verlage. Wenn für die präferierte Open-Access-Zeitschrift kein Vertrag existierte, konnten Autor:innen wie gewohnt einen Förderantrag beim Publikationsfonds der Leibniz Universität Hannover stellen. Über die Verträge und den LUH-Fonds wurden mehr als 400 Zeitschriftenartikel finanziert.

An die Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft, zu der die TIB gehört, richten sich die beiden Publikationsfonds der Leibniz-Gemeinschaft. Über den Leibniz-Fonds für Zeitschriften, der von den 59 teilnehmenden Leibniz-Instituten finanziert, aus zentralen Mitteln der Leibniz-Gemeinschaft bezuschusst und von der TIB verwaltet wird, wurden 105 Open-Access-Artikel gefördert. Im Jahr 2023 konnten 21 Anträge auf Förderung aus dem Open-Access-Publikationsfonds für Bücher und Sammelwerke bewilligt werden. 22 durch den Fonds geförderte Open-Access-Bücher wurden 2023 veröffentlicht.

Da Open Access ohne finanzielle Barrieren funktionieren sollte – also auch ohne Article Processing Charges (APC) oder Book Processing Charges (BPC) – hat die TIB ihre Unterstützung für Verlage und Initiativen fortgesetzt, die ohne Publishing Fees arbeiten. Insgesamt wurden 31 Publisher, Plattformen und Projekte unterstützt und das finanzielle Engagement im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.

Als Zentrale Fachbibliothek für Technik sowie Architektur, Chemie, Informatik, Mathematik und Physik bekannte sich die TIB 2023 zur längerfristigen Unterstützung der DEAL-Verträge. Sie bringt ihre bisher für Subskriptionen eingesetzten Mittel zur Finanzierung der 2023 neu verhandelten Verträge mit Elsevier, Springer und Wiley ein. Die TIB agiert dabei im Schulterschluss mit ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften und ZBW– Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft sowie der Staatsbibliothek zu Berlin, um zur Absicherung der Verträge beizutragen und die Konditionen für teilnehmende Einrichtungen zu verbessern.

Information und Beratung

Im Jahr 2023 haben wir wieder zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt. Neu im Programm ist unser Open Access Escape Room, der auf spielerische Weise an das Thema Open Access heranführt. Im Rahmenprogramm der Bibliocon 2023 im Mai und bei der „Nacht, die Wissen schafft“ im November wurde eine Open-Science-Rallye angeboten, bei der an verschiedenen Stationen Tipps gesammelt werden mussten, um am Ende eine Paywall (aus Konservendosen) zum Einsturz zu bringen. In der International Open Access Week Ende Oktober haben wir unter anderem mit Vorträgen, Webinaren und einer gemeinsamen Veranstaltung mit anderen Hannoveraner Bibliotheken im Rahmen von Innovercity im aufhof zu Open Access informiert.

Zwei Open-Access-Workshops der Leibniz-Gemeinschaft wurden mit starker Beteiligung der TIB organisiert. Jeweils rund 60 Interessierte tauschten sich zu den Themen „Green Open Access“ (online im Juni) und „Tätigkeitsprofile und Kompetenzanforderungen für Open-Access-Beauftragte“ (im November in Berlin) aus. Beim Workshop im Herbst fand auch ein Barcamp statt, bei dem Teilnehmende ihre eigenen Themen einbringen konnten.

Im TIB-Blog wurden 23 Beiträge zu Open Access veröffentlicht.

open-access.network

Im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts open-access.network wurden sieben oa.talks mit insgeamt 555 Teilnehmer:innen durchgeführt. Es wurden mehrere frei nachnutzbare Videos erstellt: Der Open-Access-Mythencheck räumt mit verschiedenen Vorurteilen über Open Access auf und in der Kurzclip-Reihe #OAquote – Warum ist Open Access so wichtig? beantworten Wissenschaftler:innen diese Frage insbesondere für die Klimaforschung. Einen ausführlichen Jahresrückblick des gesamten Projekts gibt es im neuen oa.blog.

B!SON

Seit dem 31. Januar 2023 steht die Produktivversion des B!SON Journal Recommender als Webinterface, API und Quellcode zur Verfügung. Seither liegt der Schwerpunkt auf die Einbindung von B!SON an wissenschaftlichen Einrichtungen. Dafür wurden zwei technische Lösungen entwickelt, die es ermöglichen, B!SON für die jeweilige Einrichtung anzupassen und zusätzlich zu den Zetischriften-Empfehlungen Informationen über Finanzierungsmöglichkeiten anzuzeigen. Mit Jahresende 2023 hatten bereits zwölf Einrichtungen B!SON eingebunden, weitere waren im Prozess dazu.

... arbeitet im Bereich Publikationsdienste der TIB und ist insbesondere für Beratung und Schulungen zum Thema Open Access zuständig.